Sudan - "wie in einem Backofen"

27.03.2015 – 08.04. 2015

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 Rosafarbene Wollmütze

 

Auf einer staubigen, wellblechartigen Fahrpiste holpern wir tausend Höhenmeter hinunter dem Grenzdorf Metema entgegen. Die Luft bläst uns gnadenlos frontal ins Gesicht, so als käme sie direkt aus einem Heissluftgebläse. Wir ringen um Atemluft, als wir aus dem Auto aussteigen. Hier also, in dieser kargen, staubigen, heissen und trostlosen Gegend inmitten dieser unwirtlichen Landschaft, hier also sollen noch Menschen leben?

Ich ziehe mir mein Kopftuch tief ins Gesicht und schleppe mich keuchend die Treppe hoch zur Immigrationsstelle, setze mich neben die anwesende, verhüllte Frau, lächle sie freundlich an und denke mir, wie die bloss diese unerträgliche Hitze unter all ihren Tüchern ertragen kann. Meine schweissklebrigen Finger kramen nach meinem Pass, um aber zunächst nur damit Kevin und mir etwas frische Luft ins Gesicht zuzuwedeln. Ermattet knabbere ich auf meinen trockenen Lippen herum. Jetzt enthüllt sich aus den vielen Tüchern allmählich eine hübsche Sudanesin, und mit ihren hennagefärbten, schwarzroten Fingerkuppen gräbt sie unter ihrer edlen Burka ihr Baby hervor, welches zuvor friedlich an der Brust saugte. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, als ich sehe, dass das kleine Mädchen eine rosafarbene Wollmütze trägt und auch noch sorgfältig in eine Wolldecke eingewickelt ist. Das Thermometer zeigt nicht mehr und nicht weniger unglaubliche 47 Grad an!

Geschafft –– soeben haben wir auf unserer Weltreise den wohl letzten Stempel in unsere Pässe erhalten. Zügig wechseln wir noch einmal das Büro, hin zur Zollkontrolle. Wir staunen nicht schlecht, als wir hier in einen schlichten, aufgeräumten Raum treten mit einer Klimaanlage, die etwas schwerfällig und monoton vor sich hin surrt und die Raumtemperatur tatsächlich auf etwa 18 Grad hält. Sofort fröstelt und friert es mich ob des unerwarteten Temperaturschocks. Ein stämmiger, gross gewachsener Mann mit annähernd kohleschwarz verbrannter Haut und strahlend weissen Zähnen begrüsst uns freundlich. Mit einem kräftigen Händedruck und einem herzlichen „Welcome to Sudan“ weist er uns mit seinen langen dürren Fingern für die weiteren Formalitäten auf eine gemütliche Couch. Die Szenerie kommt mir so vertraut vor, alles scheint mir hier wie ein einziges Déja-vu-Erlebnis zu sein –– als würden wir nochmals in Pakistan einreisen, ... die orientalische Kultur, die ganze Atmosphäre, die Freundlichkeit, der Islam! Item: Wir freuen uns aufs Kennenlernen eines weiteren spannenden Landes, unserem letzten auf unserer langen Reise, bevor es dann endgültig heisst: Zurück nach Europa!

Frisches Gemüse

 

Kaum sind wir die ersten Meter im neuen Land gefahren, verändert sich das Strassenbild rapide. Den Unterschied empfinden wir wie Tag und Nacht. Am auffälligsten: Die Strassen sind neu asphaltiert, und es gibt wieder Strassenstände mit frischem Gemüse und Früchten. Auch zeigen sich die Menschen hier deutlich zurückhaltender als in Äthiopien und sind äusserst freundlich.

Mmmhh...! Eine feine Mango wäre doch jetzt angebracht. Mir läuft bereits beim Gedanken daran das Wasser im Munde zusammen. Wir können uns nicht zurückhalten und stapeln bald zahlreiche Früchte und leckeres Gemüse auf unseren Armen. Nun merken wir erst, wie einseitig doch unsere Ernährung in Äthiopien war. Kevin wird beim Einkaufen von den rundlichen, in farbenfrohe Tücher gewickelten Frauen bewundert und reichlich mit frischen Früchten beschenkt. Immer mehr Sudanesinnen kommen hinzu und möchten dem blonden, kleinen Jungen noch etwas schenken. Plötzlich hebt eine korpulente kleine Dame Kevin hoch, drückt und küsst ihn. Kevin ist sich die Abschmuserei der Afrikanerinnen bereits gewöhnt und lässt sie einfach über sich ergehen. Zu guter Letzt krame ich in meiner Hosentasche eine zerfetzte, uralte SDG-Note hervor, um unseren Einkauf zu bezahlen. Doch die Sudanesinnen winken lachend ab, alles sei geschenkt, und sie strecken uns sogar zusätzlich noch einen Sack voll leckerer Mangos entgegen: „Welcome to Sudan“! –– Was für ein Empfang!

 

Hauptstadt Khartoum

 

Mit einer positiven Einstellung freuten wir uns eigentlich riesig auf den Sudan, doch die Hitze lässt uns leiden und setzt uns schon bald derart zu, dass wir eher wie tote Fliegen fast nur noch herumliegen und uns die Zeit passiv totschlagen. Die Energie für irgendwelche Unternehmungen fehlt uns völlig. Wir beschliessen deshalb, so schnell es geht der Hauptstadt Khartoum entgegenzufahren. Die Landschaft unterwegs zeigt sich karg, ist teilweise mit Plastikmüll nur so übersät, und sogar an jedem kleinen, noch so dürren Strauch hängen Dutzende von Plastiksäcken –– ein trauriges Bild.

Erleichtert beziehen wir bald nach unserer Ankunft in der Stadt ein herrlich klimatisiertes Hotelzimmer im „German Guesthouse“, mit Vollpension für 100 Euro, inklusive Swimming Pool. Dies entspricht zwar nicht ganz unserer Preisklasse, doch bietet sich uns gar keine andere Wahl beziehungsweise Möglichkeit, denn die Alternative dazu, nämlich das städtische Campieren in Dreck und Staub, bei unerträglicher Hitze, ist zur Zeit gerade überhaupt nicht unser Ding.... –– Das „German Guesthouse“ ist berühmt-berüchtigt für seine rauschenden Partys; es ist vermutlich das einzige Hotel in Khartoum mit einer Bar, in der überhaupt Alkohol ausgeschenkt wird. Die Gäste mit mehrheitlich internationaler Herkunft stammen häufig aus dem Umfeld von Hilfsorganisationen, die hier im Sudan und im benachbarten Äthiopien bestimmt viel zu tun haben.

In den ersten Tagen hier im Sudan erhält Gandalf noch eine neue Windschutzscheibe für sage und schreibe nur 65 US-Dollar, inklusive Einbau. Des Weiteren gibt’s neue Scheibenwischblätter –– und um die Ecke wird der Oelwechsel grad auch noch gemacht.

Und doch raffen wir uns nochmals zusammen und versuchen einige Dinge zu Unternehmen. .

Kein Geld

Auf dem Schwarzmarkt wechseln wir unser letztes Bargeld. Viel ist es ja nicht mehr. –– Zwar hatte sich unsere Angewohnheit bisher stets bewährt, unterwegs nie viel Bargeld mitzuführen. Aber jetzt ist die Situation für einmal komplett anders. Leider haben wir nämlich erst an der Grenze erfahren, dass man in ganz Sudan kein Bargeld abheben kann, denn in diesem politisch isolierten Land ist seit Beginn der US-Sanktionen der Gebrauch von Kreditkarten nicht mehr möglich. Zusammen mit unseren derzeitigen Freunden kratzen wir denn nun das letzte Geld zusammen und hoffen, dass es noch reichen wird, denn auf dem Schwarzmarkt erhält man immerhin einen deutlich besseren Wechselkurs als in den Banken; aktuell etwa neun SDG für einen US-Dollar. Tja, auch nach drei Jahren Weltreise kann einem plötzlich auch mal sowas noch passieren.... 

Das Ende naht....

Die eher grosszügig eingeplante Zeit für unseren Aufenthalt im Sudan lässt die Tage nur schleppend dahinziehen, die Verschiffung nach Europa kann nicht vorgezogen werden und erfolgt, wie es heisst, frühestens in zehn Tagen. Wir erleben in diesen Tagen ein veritables Wechselbad an Gefühlen und empfinden ein verwirrendes Durcheinander. Einerseits freuen wir uns auf die Rückkehr nach Europa und aufs Wiedersehen mit unseren Familien und Freunden. Andrerseits können wir es kaum fassen, dass unsere Reise schon bald tatsächlich nicht mehr weitergehen, sich langsam doch endgültig ihrem Ende nähern soll. Irgendwie empfinden wir diese allmähliche Umstellphase als unangenehme, lähmende Energielosigkeit.

 

Souk

 

Dennoch raffen wir uns nochmals hoch und versuchen, einige Dinge zu unternehmen. Wir schlendern über den legendären Souk bei Khartoum, lassen uns von unseren verwirrenden Gedanken durch das alltägliche Treiben in der Stadt und durch die Freundlichkeit der Sudanesinnen und Sudanesen ablenken, geniessen noch einmal die hier üblichen, viel zu süssen Schwarzteevarianten und sinnieren ein bisschen über das einfache und harte Leben der Einheimischen in ihrer für uns so total anderen Kultur. Ein letztes Mal versuche ich auch, so viele Fotos wie möglich zu knipsen, um ja später möglichst nie Gefahr zu laufen, auch nur eine der erlebten Situationen zu vergessen. Bald aber sind unsere Energie und Lust auf ein Minimum gesunken –– wir sind einfach irgendwie traurig und erschöpft.

 

Erschöpft sind wir zweifellos auch von den unzähligen und zeitweise zu zahlreichen Eindrücken in kürzester Zeit, von der überhaupt rasanten bis viel zu schnellen Fahrt durch ganz Afrika, dann wieder vom vielen Warten, von der Hitze, vom Dreck.... Vielleicht auch etwas erschöpft sind wir davon, während gut drei Jahren auf rund vier Quadratmetern mobiler Fläche mit allem Drum und Dran zu hausen. Wir freuen uns auf unser richtiges Zuhause –– auf unsere Familien, alle wieder in unsere Arme nehmen zu können und auch darauf, vielen weiteren Angehörigen endlich erstmals unseren Sohn richtig vorzustellen, für die Kevin bisher nur in virtuellen Bildern existiert hat. Ebenso freuen wir uns auf unsere vielen Freundinnen, Freunde und Reisekolleg/-innen, welche uns in irgendeiner Form unterstützt und begleitet und uns darüber hinaus stets Mut gemacht haben, nur immer weiter zu machen und vorwärts zu schauen. DANKE AN ALLE!!  ;-)

 

Die Pyramiden von Meroe

 

Vorerst müssen wir weiter nach Port Sudan an den Hafen, wo Gandalf auf seine letzte grosse Reise gehen wird. Auf dem Weg zur Küste halten wir bei den Pyramiden von Meroe an und übernachten gleich dahinter auf einer schönen Sanddüne. Die Abendstimmung und der Sonnenuntergang bei den Pyramiden sind gigantisch. In der Nacht dann zieht ein leichter Sandsturm über unsere Dachzelte. So kommt immerhin schön regelmässig eine kleine frische Brise durch die Ritzen des Moskitonetzes ins Zelt und lässt unsere glühenden Körper etwas abkühlen. In den frühen Morgenstunden miete ich mir ein Kamel, um das im tiefen Sand eingebettete Gelände rund um die Pyramiden zu erkunden. Leider sind die Pyramiden selbst nicht mehr sehr gut erhalten und unser Besuch wird schliesslich eher zum Flop- als zum Toperlebnis. Immerhin haben wir nun eine der wenigen Sehenswürdigkeiten im Sudan besucht, und als Hintergrundinformation dazu erfahren wir aus Wikipedia: „Die meist aus Stein erbauten Pyramiden von Meroe sind mit einer Höhe von unter 30 Metern deutlich kleiner als die bekannten altägyptischen Pyramiden und dienten den Königen, Königinnen und hohen Beamten des historischen Reiches von Kusch in Nubien als Grabstätten. Ihr Entstehungszeitraum reicht hauptsächlich von circa 300 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr. Die erste Pyramide in Meroe, die sicher einem Herrscher zugeschrieben werden kann, stammt von Ergamenes, der um 280 v. Chr. regierte. Die Pyramiden von Meroe gehören seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe.“

 

Hier noch ein Paar Fotos von der Sufi-Night von unseren Kollegen Tom und Markus. Wir waren mit Kevin leider nicht mit dabei.

 

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Und hier noch ein kurzer Video Clip:

 
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Das Verschiffen in Port Sudan

 

Port Sudan ist bekannt für seine „Dive Reefs“, die ähnlich wie beispielsweise im benachbarten Agypten auch hier viele Taucher anlocken; besonders, weil die Riffe hier in einem viel besseren Zustand seien. Am Hafen sieht man denn Dutzende von Luxusyachten, die Tag für Tag mit immer wieder anderen internationalen Gästen ins Meer stechen. Wir quartieren uns im „Red Sea Resort“, dem einzigen Resort im Sudan, ein. Es ist einige Kilometer ausserhalb der Stadt direkt an der Küste gelegen. 

Hier geniessen wir die letzten sieben Tage im Sudan und versuchen, uns mental so gut es geht auf die bevorstehende Heimreise nach Europa einzustimmen. Abgesehen von kleineren Spaziergängen planen wir jetzt keine grösseren Unternehmungen mehr, gehen die Tage ruhig an und geniessen den Ort im und rund ums Resort. Auch mit der Hitze ist es hier an der Küste etwas erträglicher.

Endlich ist es soweit, wir verabschieden uns vom Resortbesitzer und fahren hinein ins Zentrum von Port Sudan, wo wir uns mit dem Agenten der Verschiffung treffen. Alles läuft nach Plan, und das Verladen von Gandalf zusammen mit noch anderen vorgesehenen Fahrzeugen in den entsprechenden Container ist unproblematisch und bereits am Vormittag erledigt. Unser Dank geht an Massimo Bianco von ITS für die tolle Organisation. 

Drei Tage später -- in Khartoum -- besteigen wir endlich das Flugzeug nach Amsterdam. Wir sind sehr nervös… Nun also, nach mehr als drei Jahren, soll es wieder zurück ins „normale“ Leben gehen! Wie wird es uns dabei ergehen? Was kommt nur alles auf uns zu? Schaffen wir das? Jobsuche, Wohnungssuche, Finanzen, … Unsere Gedanken kreisen ständig um diese und weitere Themen, und wir schlafen nicht besonders gut. In Amsterdam werden wir am Flughafen von unseren holländischen Overland-Freunden Ilse und Joep herzlich in Empfang genommen. Wir dürfen bei ihnen im Haus übernachten und so einige Tage zurück in der europäisch-heimatlichen Zivilisation uns langsam wieder angewöhnen und einleben, bis wir dann schliesslich Roy’s Eltern, die uns mit ihrem Wohnmobil nach Holland entgegengefahren sind, an einem schönen Ort an der Küste treffen.

Geplant war eigentlich, dass wir gemeinsam eine Woche auf einem schönen Campingplatz verbringen, danach unser verfrachtetes Fahrzeug in Rotterdam wieder abholen gehen können und anschliessend in gemütlichen Etappen zusammen zurück in die Schweiz heimtuckern. Wie leider schon öfters passiert, geht auch diesmal der schöne Plan nicht auf: Wegen verspäteter Abfahrt in Port Sudan hat das Schiff bis nach Amsterdam mindestens zwei Wochen Verspätung! Die Enttäuschung ist gross, denn alle geplanten Folgeereignisse fallen jetzt mit einem Schlag ebenfalls ins Wasser: Unsere Welcome-Party in Uster ebenso wie etwa unsere Teilnahme – selbstverständlich mit Gandalf! -- am jährlichen Swiss Travel Festival im Luzernischen! Wirklich schade, schade, schade! Frustriert und traurig bleibt uns schliesslich nichts anderes übrig, als für die letzte Etappe ganz konventionell per Flugzeug heimzureisen und halt – leider ohne Gandalf – notgedrungen noch das Beste aus der Situation zu machen. 

Aber trotz unserer physischen Ankunft in der Schweiz fällt es uns weiterhin sehr schwer, ohne unseren Gandalf, ohne unseren treusten Begleiter, unser rollendes Heim während dreier Jahren, wirklich ganz anzukommen. –– Eine Woche später dann kommt aus Amsterdam endlich der erlösende Anruf: Gandalf ist da!! Sofort packt Roy seine sieben Sachen und fliegt alleine nach Amsterdam, während Nicky mit Kevin zu Hause wartet – leider. Mit Verzögerung haben wir es schliesslich doch noch geschafft: Alle sind nach über drei Jahren Weltreise gesund, ohne Verletzungen und unfallfrei wieder zurück in der vertrauten Heimat –– und erst noch mit dem besten Souvenir, das es gibt: Mit Kevin!!

 

Geschafft!! ;-)
Geschafft!! ;-)